Tryptophan und 5-Hydroxytryptophan
von Dr. med. Siegfried Schlett
Oktober 2017

Stoffwechselwege Tryptophan


Bestimmte Aminosäuren beeinflussen Prozesse, die im Hirn stattfinden – so den Schlaf und die Stimmung. Dieser Artikel nimmt die Substanzen L-Tryptophan und das 5-Hydroxy-tryptophan, das Zwischenprodukt des Synthesewegs zum Serotonin, genauer in den Blick.
L-Tryptophan wurde 1901 entdeckt und wird seither eingesetzt, um Depressionen zu verhindern und einen gesunden Schlaf zu fördern. Es wird vom Körper nicht selbst gebildet, sondern muss über die Nahrung zugeführt werden. Die Aminosäure unterstützt den menschlichen Organismus dabei, sich zu entspannen und durch einen gesunden und erholsamen Schlaf neue Energie für den Tag zu sammeln. Gemeinsam mit Phenylalanin, Tyrosin und Histidin zählt Tryptophan zu den aromatischen Aminosäuren. Sie nutzen den gleichen Resorptions- und Übertrittsweg in die Hirnflüssigkeit und können sich gegenseitig
dabei behindern. Wird nachfolgend von Tryptophan gesprochen, ist stets das L-Tryptophan (L-Trp) gemeint.
 
Strukturformeln Tryptophan MelatoninAbb.1: Wikimedia Commons

Tryptophan in Lebensmitteln
Tryptophan kommt nicht in freier Form sondern eingebunden in z.B. Pflanzenproteine vor. Die wichtigsten Quellen sind Sojabohnen und Cashewkerne (jeweils 1,6%), Kakaopulver (1,5%) und Haferflocken (1,4%). Die in Klammer gesetzten Prozentzahlen geben den Tryptophan-Anteil im Protein wieder. 100g Sojabohnen enthalten daher mehr als
500mg L-Tryptophan. Auch Kuhmilcheiweiß ist mit 1,4% relativ Tryptophan-reich. Die Aminosäure ist hitzestabil und nicht wasserlöslich. Obwohl unsere Ernährung eine ausgeglichene Tryptophan-Zufuhr möglich machen sollte, gibt es Ernährungsstörungen mit signifikant erniedrigtem Serumtryptophan-Spiegel, z.B. die Fruktosemalabsorption1.

Wirkungen des Tryptophans
Die Hauptbedeutung liegt in der Umwandlung dieser Aminosäure in den natürlichen Regulator einer entspannten Gefühlswelt, das Serotonin.
Der Tryptophan-Stoffwechsel greift auf die Nährstoffe Magnesium und Vitamin B6 zurück. Eine Kombination von L-Tryptophan und den genannten Nährstoffen kann sinnvoll sein. Mangelzustände der genannten Vitalstoffe wirken sich de facto schwächend auf das Gesamtgeschehen aus.

Unser Schlaf
Schlafen ist ein biochemischer Prozess, der nur dann „in-Gang-kommt“, wenn die Chemie stimmt. Tryptophan greift in diesen Prozess auf mehreren Ebenen positiv ein. Zum einen regt es durch Umwandlung in das Zwischenprodukt 5-Hydroxytryptophan die Serotonin-bildung direkt an. Zum anderen entsteht auf diesem Wege intrazellulär mehr Niacin (Vitamin B3), welches seinerseits für mehr Zellenergie sorgt. Die Hirnzellen können mehr leisten, das Fortleiten von Reizen und die Bildung von Botenstoffen werden angeregt. Gemeinsam stärken diese Auswirkungen den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus und helfen nachgewiesen-ermaßen bei Einschlafproblemen.2 Insgesamt wird der Schlaf tiefer und damit erholsamer. Besonders auch in den frühen Morgenstunden. Gut ausgeschlafen sind wir leistungsfähiger stressresistenter und essen maßvoller.

Unsere Psyche
Das stressreiche und oft unrhythmische Leben fordert unser Serotoninsystem stark heraus. Jahreszeitlich bedingte Stimmungsschwankungen, Sorgen und Ängste, Schlafstörungen und Reizüberflutung (Handy, Filme, Großstadt) vor allem am Abend, erzeugen eine Dauerbeanspruchung und sind häufig Ursachen von tiefer greifenden Störungen wie Depressionen bzw. Erschöpfungszuständen.  Bevor man zu chemisch wirksamen Antidepressiva o.Ä. greift, sollte nach ausführlicher Ursachenforschung  eine natürliche Stärkung der Serotoninbalance mit L-Tryptophan oder 5- HTP  der Vorzug gegeben werden. Moderate Bewegungseinheiten („um den Block radeln“) am Abend ergänzen die Aminosäuregaben sehr physiologisch.

Unser Stoffwechsel
Über das Hirn hinaus hat Tryptophan einen schützen Einfluss auf den Leberstoffwechsel und kann einer Leberverfettung vorbeugen3. Wahrscheinlich ist auch hier die Bildung von intracellulärem Vitamin B3 ausschlaggebend. Die appetitregulierende Wirkung hilft Übergewicht abzubauen und führt zu einem gesunderen Stoffwechsel.
Personen, die über lange Zeit schlecht schliefen, neigen zu fibromyalgischen Beschwerden. Tryptophan führt durch eine Verbesserung der Tiefschlafsequenzen4 zu einer besseren Entspannung der Muskulatur und verringert das Entzündungsverhalten im Bindegewebe.

5-Hydroxytryptophan (5-HTP)
Im Unterschied zum L-Tryptophan überwindet das 5-HTP die Blut-Hirn-Schranke direkt und flutet damit stärker in der Cerebrospinalflüssigkeit an5. Dies begünstigt eine stärkere Wirkung bei niedrigerer Dosierung. Die Auswirkung auf den Stoffwechsel/Leber über das Niacin fehlt dieser Verbindung allerdings (siehe Pathway Abbildung 1 oben).

Dosierung
L-Tryptophan:
  • bei Ein- und Durchschlafstörungen 250-500mg (max. 1.000mg),
  • 1-2 Stunden vor dem Zubettgehen mit ½ Glas Fruchtsaftschorle.
  • Stimmungs- und Motivationsprobleme tagsüber mit 3 x 500mg (max. täglich 2.000mg) jeweils mit ½ Glas Fruchtsaftschorle.

5-HTP:
  • abends 50-100mg ca. 1 Stunde vor dem Zubettgehen mit ½ Glas Fruchtsaftschorle.
  • Zur Stärkung über den Tag verteilt maximal 250 – 300mg jeweils mit einer
    Fruchtsaftschorle.

Interaktionen
Alle Arzneimittel, die den Serotoninstoffwechsel  beeinflussen6, interagieren mit
L-Tryptophan- oder 5-HTP-Therapien (Antidepressiva, Antiepileptika, Levodopa, u.v.m).
SSRI: erhöhen den Serotoninspiegel im synaptischen Spalt. Die gleichzeitige Gabe von
L-Tryptophan oder 5-HTP kann zu Überdosierungen führen. Zu Dauertherapien liegen bei beiden Mitteln keine ausreichenden Daten vor. Sie sollten nur unter ärztlicher Anweisung erfolgen. Serum- und Verlaufskontrollen sind notwendig.

Überdosierung7
„Serotonismus“ kann sich in Überreaktionen im Magen-Darm-Trakt (Übelkeit, Durchfall, Blähungen, Krämpfen) oder/und in Form von Schwindel, Übererregbarkeit und Blutdruckschwankungen bemerkbar machen. Die Dosis dann sofort reduzieren und den behandelnden Arzt aufsuchen.








Literatur
1    Moser G, Psychosomatik in der Gastroenterologie und Hepatologie, Springer-Verlag Wien, 2007
2    Widner B., Laich A., Sperner-Unterweger B., Ledochowski M., Fuchs D.: Neopterin production, tryptophan degradation, and mental depression--what is the link, Brain Behav. Immunity. 16, 2002, S. 590–595
3    Cichoz-Lach H. et al.: The effects of l-tryptophan ans melatonin on selected biochemical parameters in patients with stratohepatitis; J Physol Pharmacol 2010; 61(5): 577-580
4    Lind-Albrecht G., Ursachen des Fibromyalgie-Syndroms, rheuma-online, Bad Gastein, 2010
5    Westenberg HG., Gerritsen TW., Meijer BA., van Praag HM.: Kinetics of l-5-hydroxytryptophan in healthy subjects, Psychiatry Res. Band 7(3): 373–385, 1982
6    Gröber U.: Orthomolekulare Medizin-Ein Leitfaden für Apotheker und Ärzte,  WVG Stuttgart, 2002, ISBN 3-8047-1758-6
7    Byerley WF., Judd LL., Reimherr FW., Grosser BI.: 5-HTP review,  J Clin Psychopharmacol 1987; 7(3):127–137





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