Mastzellaktivierungssyndrom: Interview zum komplexen Krankheitsbild

© Ralf Bauer Köln


Mastzellaktivierungssyndrom:



Interview zum komplexen Krankheitsbild - Herausforderung in Diagnose und Therapie

Prof. Dr. Martin Mücke beschäftigt sich schon seit Jahren mit seltenen Erkrankungen, speziell mit dem Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS). Freundlicherweise stand er uns im September 2021 für ein telefonisches Interview zu dieser Erkrankung zur Verfügung.



Herr Prof. Mücke, MCAS ist eine durchaus häufige, aber selten erkannte systemische Erkrankung. Was sind die Schwierigkeiten bei der Diagnose-Stellung?
Prof. Dr. Mücke: Das Problem ist, dass a) die Patienten nicht richtig gescreent werden und dass b) viele Patienten darunter sind, die schon sehr, sehr viele Ärzte gesehen haben und aufgrund der vielschichtigen Symptome in den psychosomatischen Formenkreis gesetzt werden. Damit werden die Patienten entsprechend oft nicht weiter diagnostiziert.


Gibt es besondere Gefährdungen für diese Erkrankung?
Tatsächlich sehen wir, dass erste Symptome oft nach einer Infektion, nach einem starken Stress-Ereignis oder nach Antibiotika-Therapie auftreten. Letzteres wird gerade in einer Studie untersucht.


Herr Prof. Mücke, sehen Sie Zusammenhänge mit anderen Erkrankungen?
Häufig sehen wir MCAS als Sekundärerkrankung. Ich bin ja spezialisiert auf seltene Erkrankungen, und man findet häufig eine andere Primärerkrankung, die ursächlich besteht. Das können z. B. Autoimmunerkrankungen sein, Mischkollagenosen oder genetisch bedingte Speichererkrankungen. Das Problem ist, dass diese Primärerkrankung aufgrund der Reaktionen des Immunsystems häufig nur schwer therapiert werden kann.


Sie arbeiten schon lange mit MCAS-Patienten. Wie steigen Sie in die Therapie ein? Haben Sie eine Empfehlung zur Basistherapie?
Zu allererst muss der Patient stabilisiert werden. Das gelingt meist gut mit einer Kombination aus H1-Antihistaminikum, H2-Antihistaminikum und Mastzellstabilisator. Für MCAS-Patienten sind Reinstoffpräparate sehr geeignet. Ich habe gute Erfahrungen mit Ketotifen plus Famotidin gemacht, vor allem, wenn eine starke Darm-Symptomatik besteht. Cromoglicinsäure als Mastzellstabilisator vertragen leider nicht alle Patienten.


MCAS-Patienten leiden unter sehr vielen Unverträglichkeiten und haben in Folge dessen erhebliche Einschränkungen in der Nahrungsmittelauswahl. Wie kann die Mikro- und Makronährstoffversorgung gewährleistet werden?
Wir versuchen, soweit als möglich, Mängel auszugleichen. Problematisch ist z.B. oft die Eisenversorgung. Hier kann mit niedrig dosierten Präparaten substituiert werden, die oft gut vertragen werden.
Vitamin C ist sinnvoll, da es die Mastzellen stabilisiert und zur Senkung des hohen Histamin-Spiegels beiträgt. Omega-3-Fettsäuren und Vitamin D sind interessante und möglicherweise vielversprechende Ansätze.

Vielen Dank, Herr Prof. Mücke, dass Sie uns Ihre Erfahrungen mit
MCAS-Patienten geschildert haben!







Prof. Dr. Martin Mücke leitete bis Ende September 2021 das Zentrum für seltene Erkrankungen des Uniklinik Bonn.
Das Team Uniklinik Bonn hat einen strukturierten Fragebogen erarbeitet, der Patienten bei der Erfassung der unterschiedlichen Symptome hilft und Ärzte in der Diagnose-Stellung unterstützt: https://www.humangenetics.uni-bonn.de/de/forschung/forschungsprojekte/mastzellerkrankungen



Zum 1. Oktober 2021 wurde Herr Prof. Dr. Mücke auf den neuen Lehrstuhl „Digitale Allgemeinmedizin“ an der Uniklinik RWTH Aachen berufen und hat auch die ärztliche Leitung des Zentrums für seltene Erkrankungen in Aachen übernommen.





„Unglaublich krank - Patienten ohne Diagnose“

Am 10. September 2021 startete der neue Podcast „Unglaublich krank – Patienten ohne Diagnose“ mit den Hosts Esther Schweins und Prof. Martin Mücke auf allen gängigen Podcast-Plattformen.

https://unglaublich-krank.podigee.io/







Weiterführende Informationen zu MCAS:

MCAS - Komplexes Krankheitsbild
Antiallergische Rezepturen aus der Klösterl-Apotheke (PDF)
MCAS Therapeuteninfo-Flyer