Allergien – jetzt kommt wieder die Zeit
Orthomolekulare und phytotherapeutische Empfehlungen
von Dr. med. Siegfried Schlett
April 2018

Allergie


Allergien nehmen zu. In der Schweiz hat sich zum Beispiel die Anzahl der Heuschnupfen-Kranken in den letzten 60 Jahren (also ab 1960) verzehnfacht. Dort und in der BRD sind mittlerweile 15% der Menschen Pollenallergiker. Nahezu jedes vierte Kind, welches bei der AOK–Nordost versichert ist, erhielt im Jahr 2015 die Diagnose Allergie. Nicht eingerechnet sind Allergien gegen Lebensmittel, Insektengifte, Nickel, Schimmelpilze, Tierhaare und Arzneimittel.
In Polen wurden 2003 (kurz nach dem EU-Beitritt) und 2012 die gleichen Personen auf die Allergene Katzenhaare, Graspollen, Baumpollen und Hausstaubmilben untersucht. Waren 2003 nur ca. 7% allergisch, zeigten die gleichen Personen 2012 zu ca. 20% auf die genannten Substanzen allergische Symptome. Diese von der Universität Breslau zusammen mit dem Imperial College London durchgeführte Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass sich der Eintritt in die EU auch durch sich ändernde Produktions- und Lebensbedingungen, weniger Konfrontation mit „biologischem Dreck“, die vermehrte Gabe von Antibiotika und dem Import ausländischer Lebensmittel bemerkbar machte.1

Allergien sind hyperergische Immunreaktionen, deren Ausbrüche saisonal anfallen oder auch chronisch entzündliche Formen annehmen können. Der Übergang zu autoimmunologischen Erkrankungen wird dann fließend. Man weiß z.B. schon länger, dass in der Pollenzeit die Hashimoto-Rate nach oben schnellt2 oder Gluten-Unverträglichkeiten mit chronisch-entzündlichen Reaktionen gekoppelt sein können3.

Antworten des Immunsystems sind in der Regel radikalreich und deren Rebalancierung bleibt für eine dauerhafte Gesundheit4,5 lebenslang entscheidend. Verzögert sich dieser augleichende Vorgang z.B. durch gleichzeitige Übersäuerung oder wird er durch nicht zur Ruhe kommende Aktionen von TH1-Lymphozyten (Immunreaktion auf Bakterien, Viren) oder TH2-Lymphozyten (Immunreaktion auf Parasiten, bei Allergien) ständig unterhalten, bleibt die Radikalflut als Reiz bestehen. Dies trägt dazu bei, dass das Immunsystem ständig vor sich hin kämpft, bis hin zu autoimmunologischen Prozessen mit massiver Eigendynamik.

Verlauf der Immunreaktion:
  • Erhöhung der Konzentration an pro-entzündlichen Interleukinen,
  • Induktion und Neusynthese entzündungsfördernder Zytokine
  • Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFKB,
  • Synthese von Mediatoren, Cyclooxygenasen und Prostaglandinen

So bereiten unspezifische Entzündungen, die als „einfache Allergie“ beginnen, den Weg für silent inflammatory diseases (z.B. Fibromyalgie) mit chronischem Verlauf. Ein Beispiel ist die nicht-alkoholische Fettleber, bei der im Organismus multiple Folgeentzündungen6 entstehen können, weil die Leber als ständiger Zytokin-Produzent das Immunsystem gegen sich aufbringt.

Saisonale Allergien mit konkretem Anfang und Ende sollten anders behandelt werden wie chronisch-entzündlich-allergische Geschehen.

Pollenallergiker und saisonale Allergiker sollten frühzeitig Membranstabilisatoren wie Quercetin (z.B. P.E.® Quercetin), Catechine aus dem grünen Tee (z.B. Grüner Tee aktiv), OPC aus Traubenkernextrakt und Calciumsalze einsetzen und nicht warten, bis sie zu niesen beginnen. Gefolgt von antioxidativ wirksamem Vitamin E, Coenzym Q10 und Vitamin C.

Eine lokale Behandlung erfolgt mit Mastzellstabilisatoren wie Azelastin (z.B. Vividrin akut®, Allergodil®) oder Cromoglycinsäuresalzen (z.B. Intal®).
Wichtig ist immer der gleichzeitige Blick auf die Mikrobiota durch die Gabe von Probiotika oder eine prophylaktische milch- und glutenfreie Diät. Adäquate Verhaltensweisen wie richtiges Lüften, Wäschepflege, Waschmittelauswahl und Nasenduschen ergänzen den Empfehlungsbereich. Erst wenn diese Maßnahmen nicht greifen, sind systemische Histamin-Antagonisten (H1-Blocker wie Diphenhydramin, Cetirizin, etc.) einzusetzen oder lokal oder/und systemisch wirksame Corticoide.

Bei chronisch-allergisch-entzündlichen Beschwerden sollte zunächst Ruhe in den Darm einkehren. Dazu gehören Vermeidungsdiäten (s.o.), Stabilisierung einer gesunden Darmflora mit Probiotika (z.B. Baktozell aktiv) und die Gabe von Bitterstoffen aus Kräutern wie Wermut, Enzian, Angelikawurzel, Löwenzahn u.v.m. (z.B. Wermut-Elixier, Klösterl´s Magenbitter).
Nach Messen des Säurestatus im Urin entsäuert man mit entsprechenden Tees (Liquiritia, Urtica, Anis, Foeniculum) und der Gabe von Basenpräparaten.
Nimmt der Patient Arzneimittel ein, sollte die Verträglichkeit der Hilfsstoffe überprüft werden.

Neben der Wiederherstellung der Darmruhe zur Beruhigung chronisch-entzündlicher Reaktionslagen sind auch Omega-3-Fettsäurepräparate (z.B. Omega aktiv, Norsan®Omega 3) zu nennen, weil sich im Stoffwechsel weniger pro-entzündliche Eicosanoide bilden können. Gleichzeitig tragen sie zur Verbesserung der Membranstruktur bei.

Pflanzliche Antioxidantien (wie z.B. Quercetin, Catechine und OPC) stabilisieren Membranen, reduzieren die Histaminbildung im Dünndarm und binden (squenchen) freie Radikale. Das Glutathion, ein zentraler intrazellulärer Squencher, kann stabilisiert werden mit N-Acetyl-cystein, Alpha-Liponsäure und Selen. Die Anwendung von Vitamin E erfolgt kurweise (bis zu 4 Wochen) in höheren Dosen (z.B. Optovit Select®) zusammen mit Coenzym Q10 zur Regeneration der mitochondrialen Membranen.

Der Vollständigkeit halber bleiben die nicht-steroidalen Antirheumatika Ibuprofen und Acetylsalicylsäure nicht unerwähnt.


Dr. med. Siegfried Schlett - BHT
Dr. med. Siegfried Schlett
Ärztliches Naturheilkundezentrum Aschaffenburg
Weißenburger Str. 44, 63739 Aschaffenburg
www.ammerschlaeger-duerr.de




1. Beilage Gesundheit, Die Zeit, 03, 2017
2. Ullrich K, Bundesverband dt. Nuklearmediziner, Schilddrüsenentzündungen im Frühjahr, 2014
3. Ponto KA, Schuppan D et alt, Thyroid associated orbitopathy is linked to gastrointenstinal autoimmunitiy, Clin Exp Immunol. 2014; 178 (1): 57-64
4- Arizon M1, Nudel I, Segv H et alt, Langerhans cells down-regulate inflammation-driven alveolar bone loss, Proc Natl Acad Sci U S A. 2012;109 (18):7043-8.
5. Akio O, Sitkovsky M, Role of G-protein-coupled adenosine receptors in downregulation of inflammation and protection from tissue damage, Nature 414, 2001: 916-920,
6. Busch C, Hendrixx B, Weismann D.: Malondialdehyd epitopes are sterile mediatores of hepatic inflammation in hypercholesterolemic mice, Forschungszentrum f. Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 12-2016