01.04.2010

Bedenklich hohe Phthalat-Konzentrationen in Medizinprodukten: EU beschließt neue Kennzeichnungspflicht

Aktuellen Presseberichten zufolge enthalten Blutbeutel, Schläuche und Katheter aus PVC nach wie vor große Mengen an Phthalaten, die den Kunststoff geschmeidig machen sollen, gleichzeitig aber für ihre gesundheitsschädigende Wirkung bekannt sind.

"Phthalate können durch Kontakt mit Blut oder Infusionslösungen [insbesondere fettreiche Lösungen] leicht aus dem Kunststoff herausgelöst werden, da sie nicht fest an diesen gebunden sind", erklärt Holger M. Koch vom Kompetenz-Zentrum Toxikologie des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung an der Universität Bochum. Sie lösen sich aber auch, wenn der Kunststoff höheren Temperaturen ausgesetzt wird. Laut internationalen Studienergebnissen und Berichten des Umweltbundesamts sollen mittlerweile bei fast jedem Menschen Phthalate nachweisbar sein.

Gesundheitliche Risiken
Schon seit längerem gibt es Hinweise darauf, dass Phthalate den menschlichen Organismus schädigen. Untersuchungen der amerikanischen Umweltbehörde EPA belegen zudem, dass sich verschiedene Phthalate in ihrer schädigenden Wirkung addieren, selbst wenn sie nur in geringeren Mengen vorhanden sind. Durch ihre endokrinen Einflüsse können sie bei Männern genitale Fehlbildungen oder Unfruchtbarkeit hervorrufen. Wenn Schwangere Phthalate aufnehmen, "kann dies bereits im Mutterleib zu Störungen der sexuellen Entwicklung von männlichen Nachkommen führen", so Koch.

Eine Gefährdung besteht in der Schwangerschaft z.B. durch magensaftresistente Kapselüberzüge oder Nahrungsergänzungsmittel, die Dibutylphthalat (DBP) enthalten. Auch Frühgeborene zählen zu den Risikogruppen, wenn sie im Rahmen einer intensivmedizinischen Behandlung mehrere Infusionen pro Tag erhalten. Dabei können sie hohe Konzentrationen von Diethylexylphthalat (DEHP) aufnehmen, die sich in Tierversuchen als schädlich erwiesen haben.

Auf Phthalat-freie Produkte umstellen
Nachdem die EU schon vor längerem schädliche Phthalate in Kosmetika und Kinderspielzeug verboten und die Grenzwerte für Lebensmittelverpackungen verschärft hat, gibt es jetzt auch eine EU-weite Kennzeichnungspflicht für DEHP-haltige Medizinprodukte – ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Angesichts der Gesundheitsrisiken "sollten Kliniken auf Medizinprodukte umstellen, die kein DEHP oder DBP enthalten", meint der Mediziner Helmut Schatz, Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). In manchen Anwendungen – etwa bei Blutbeuteln – scheint dies schwierig zu sein. Dennoch soll es bereits Häuser geben, die die Umstellung auf PVC-freie Produkte gemeistert haben. Beispiele sind die Kinderklinik Glanzing und das Gottfried von Preyersche Kinderspital, beide in Wien.

AI

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