Ist die H1N1-Impfung gegen Schweinegrippe wirklich sinnvoll?

Das Robert-Koch-Institut meldet in Deutschland bereits mehr als 12.000 Schweinegrippe-Fälle, und die Zahl steigt rasant. Um weitere Infektionen mit dem H1N1/09-Virus zu verhindern, sollen im Schnelldurchlauf neue Impfstoffe zugelassen und in einer ersten Impfwelle an 25 Millionen Bundesbürger verimpft werden.

Gesundheitsministerin und Krankenkassen haben sich jedenfalls schon über die Finanzierung der groß angelegten Impfkampagne verständigt: Die eine Hälfte wird aus GKV-Versichertenbeiträgen finanziert, die andere Hälfte aus Steuermitteln. Der geplanten Massenimpfung, deren Gesamtkosten auf bis zu eine Milliarde Euro beziffert werden, scheint also nichts mehr im Weg zu stehen.

Aber in Fachkreisen werden immer mehr Stimmen laut, die sowohl an der Verfahrensweise als auch an der Wirksamkeit und Sicherheit der H1N1-Impfung zweifeln und eine Risiko-Nutzen-Analyse fordern.

Die Datenlage macht zuverlässige Prognosen unmöglich
Nach Einschätzung des Hessischen Landesprüfungs- und Untersuchungsamts im Gesundheitswesen wird die kommende Influenza-Saison (Winter 2009/2010) in Deutschland von der Schweinegrippe dominiert, und zwar nicht nur mit einer niedrigen bis moderaten Intensität. Was die zu erwartende Viruszirkulation und die influenzabedingte Morbidität angeht, hält man sich mit Prognosen wohlweißlich zurück.

Denn wie das Department of Microbiology, Immunology and Parasitology der Louisiana State University anmerkt, ist jeder Influenza-Ausbruch einzigartig, sodass Vorhersagen schlecht möglich sind. Deshalb müssten diesbezügliche Aktivitäten auf Fakten und wissenschaftlichen Daten basieren und sollten nicht durch Politik oder Interessensgruppen befeuert werden, so die Wissenschaftler.

Wirksamkeit und Sicherheit der H1N1-Impfung sind fraglich
Aufgrund der bisher milden Krankheitsverläufe der H1N1-Influenza in Deutschland ist eine heftige Impfdebatte entbrannt, die den (möglicherweise wahlkampfmotivierten) Aktionismus von Behörden und Politik rügt und den Nutzen der Influenza-Impfung in Frage stellt. Impfkritiker, die die Vakzine aufgrund unzureichender klinischer Tests für unsicher halten, bezeichnen die geplante Impfkampagne als Großversuch am Menschen.

Diesen Vorwurf sieht der Verein "Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V." bestätigt und wirft den Zulassungsstellen Fahrlässigkeit vor, da sie um den fehlenden Wirksamkeitsnachweis und das vorhandene Risikopotenzial des neuen H1N1-Impfstoffs wissen. Denn die europäische Arzneimittelbehörde konstatiert in einem Zulassungsbescheid, "dass es nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand keine umfassende Auskunft über die Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimittels bei normaler Anwendung geben kann".

Bereits seit einigen Jahren stellen unabhängige Experten die wissenschaftliche Grundlage von Grippeschutzimpfungen und antiviralen Grippemedikamenten zunehmend infrage. Vor allem der britische Influenza-Experte Tom Jefferson vom Cochrane-Institut hat mehrfach vernichtende Urteile gefällt, da die Wirksamkeit dieser Maßnahmen ebenso wenig gesichert sei wie ein positiver Einfluss auf die Sterblichkeit der Patienten.

Das Pandemiepotenzial ist nicht erwiesen
Jefferson beklagt, dass die Gefahr der Schweinegrippe völlig überschätzt und unnötige Panikmache betrieben werde. Allein die Tatsache, dass die WHO im Mai dieses Jahres die Pandemie-Definition eigens für die H1N1-Influenza anpassen musste (die bis dahin für eine Pandemie maßgebliche Gefährlichkeit der Infektion wurde schlichtweg gestrichen), um der Schweinegrippe ein Pandemiepotenzial zusprechen zu können, lässt berechtigte Zweifel aufkommen.

Denn eine bloße Definitionsänderung macht noch keine Pandemie. Nach Ansicht des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist derzeit jedenfalls nicht absehbar, ob das Virus tatsächlich alle Kriterien eines pandemieauslösenden Erregers erfüllt.