Integrative Onkologie - gemeinsam für ein Ziel

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Integrative Onkologie - gemeinsam für ein Ziel



Die integrative Onkologie versteht sich als ein Therapiekonzept, das konventionelle onkologische Behandlung mit komplementärer (ergänzender) Onkologie verbindet und dabei synergistische Effekte erzielt.

Ziel ist es, alle Therapiemöglichkeiten in der Onkologie zum Wohl des Patienten zu nutzen. Wie der Begriff „integrativ – zusammenführend“ schon andeutet, geht es nicht um ein Entweder – Oder, sondern darum, die bewährte und immer spezialisierter werdende konventionelle Onkologie durch komplementäre Therapieansätze unterstützend zu einem erfolgreichen Gesamtkonzept zusammenzuführen. Die synergistischen Effekte werden dabei immer deutlicher. Und so finden evidenzbasierte Verfahren der Komplementärmedizin Eingang in die Leitlinien der Krebsmedizin. Die Basis dieser integrativen Therapie ist eine berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit aller beteiligten Ärzte und Therapeuten und das Einbeziehen des Patienten als kompetenten Partner.

In der rein konventionellen Therapie empfinden sich viele Patienten als Objekt einer sehr effektiven aber auch technisch-unpersönlichen Medizin. Der betroffene Mensch braucht eine ganzheitliche Zuwendung und möchte auch einen eigenen Anteil zu seiner Gesundung beitragen. 70 % der deutschen Krebspatienten suchen eigenständig Hilfe bei komplementären und alternativen Therapien. Dieses Bemühen der Betroffenen sollte unter ärztlicher Koordination stehen, um multimodale Behandlungen zielführend zu verbinden und unerwünschte Wechselwirkungen zu vermeiden.

Ziele der integrativen Onkologie sind:
  • Primärprävention neoplastischer Erkrankungen bei bekannt erhöhtem Risiko
  • Effektivität einer Chemo- oder Strahlentherapie unterstützen
  • Nebenwirkungen der konventionellen Therapie (Chemo-, Strahlen-, Pharmakotherapie) abwenden oder reduzieren
  • Compliance der Patienten stärken
  • höhere Lebensqualität in jedem Krankheitsstadium
  • Sekundärprävention
  • Metastasierungsrisiko minimieren
  • Heilungsvorgänge des Körpers stimulieren, immunmodulierende Effekte nutzen mentale Unterstützung beim Umgang mit der Tumorerkrankung



Schaubild integrative Onkologie


Konventionelle Onkologie

Sie wird vereinfacht „Schulmedizin“ genannt und ist die Basis jeder Tumorbehandlung. Sie beinhaltet eine genaue Diagnose und Typisierung des Tumors. Abhängig davon ist die Therapieempfehlung. Allgemein bekannt sind die operative Tumor-Entfernung, die Chemotherapie (auch neoadjuvant oder adjuvant) und die Strahlentherapie. Dazu sind diverse medikamentöse Therapien, wie z.B. die antihormonelle Therapie etabliert. Darüber hinaus kommen neue zielgerichtete molekular-biologische und individualisierte Therapien zum Einsatz.


Komplementäre onkologische Therapien

Alle folgenden Maßnahmen – von Änderung der Lebensgewohnheiten über Anwendung verschiedener pharmazeutischer Wirkstoffe (Phytotherapeutika, Mikronährstoffe) bis zu physikalischen und psychologischen Therapien – können unter dem Begriff Komplementärmedizin zusammengefasst werden. Die Bedeutung einer Maßnahme ist dabei abhängig von der Tumorart, der Krankheitsphase und von der Persönlichkeit, Neigung und Handlungskompetenz des Patienten.

Eine antitumorale Therapie sollte immer den ganzen Menschen sehen und ihn in die Behandlung miteinbeziehen. Für den Patienten ist damit die Bereitschaft zu einer mehr oder weniger starken Lebensstiländerung verbunden.


Ernährung und Mikronährstoffe
Bei der Betreuung von Tumorpatienten sollte eine ernährungsmedizinische Beratung fester Bestandteil einer umfassenden onkologischen Behandlung sein. Die Ernährung hat einen erheblichen Einfluss auf die Makro- und Mikronährstoffversorgung des Körpers. Gute Fette, Vermeidung von Allergenen, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, hochwertige Lebensmittel sind Schlagwörter einer modernen Ernährungsmedizin.


Gezielte Mikronährstoff-Gaben
unterstützen den gesunden Zellstoffwechsel, reduzieren therapie- und krankheitsassoziierte Nebenwirkungen der onkologischen Therapie, stabilisieren das Immunsystem und verbessern insgesamt die Lebensqualität der Patienten.


Darmgesundheit
Entzündungen, Darmflora-Störungen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder -allergien irritieren die Darmschleimhaut und führen zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Darmwand. Da der größte Teil des Immunsystems im Darm ansässig ist, steht die Darmgesundheit besonders im Blickpunkt. Aufgrund der engen Beziehung zwischen dem Immunsystem und dem Intestinaltrakt ist eine Pflege und Stabilisierung des Mikrobioms, eine Verbesserung der Barrierefunktion mit Prä- und Probiotika und eine darmgesunde Ernährung sinnvoll.


Silent Inflammation
„Derzeit wird etwa jede fünfte Krebserkrankung damit in Zusammenhang gebracht“, sagte Prof. Dr. med. Curtis C. Harris vom US National Cancer Institute (NCI). Schwelende Entzündungen wie Zahnherde oder Magen-Darm-Irritationen sowie Dauerstressbelastungen lösen eine Reaktionskaskade des Immunsystems aus, die mit erhöhtem oxidativem Stress einhergeht. Dieses Übermaß an freien Radikalen erzeugt vermehrt DNA-Schäden. Silent inflammation gilt als tumorauslösender Trigger und schwächender Faktor während der Therapie. Dr. med. Siegfried Schlett empfiehlt daher das „entzündliche Grundrauschen“ zu minimieren, u.a. mit der Sanierung von Zahnherden und dem Stärken der Darmbarriere. Auch therapiebedingte Nebenwirkungen wie Mukositis, Hand-Fuß-Syndrom und Neuropathie sind Entzündungen, die gezielt behandelt werden sollten.


Leberstoffwechsel
Die Leber als wichtigstes Entgiftungsorgan ist bei Tumorpatienten besonders gefordert. Artischocke und Mariendistel sind traditionelle phytotherapeutische „Leberschutzmittel“. Silymarin hat in Studien zudem einen wachstumshemmenden Einfluss auf den Stoffwechsel der Tumorzellen gezeigt.


Hormongefüge
Um den Körper bestmöglich bei der Tumorbekämpfung unterstützen zu können, ist eine genaue Kenntnis des Hormonhaushalts wichtig. Die Schilddrüse als zentrales Steuerungsorgan des ganzen Organismus verdient besondere Beachtung und sollte gut eingestellt sein. Bei Sexualhormon-abhängigen Tumorerkrankungen empfiehlt es sich, die jeweiligen Hormone immer im Blick zu haben.


Bewegung
Das Deutsche Ärzteblatt schreibt 2009 „Sport ist so wichtig wie ein Krebsmedikament“, und Dr. Holger Krakowski-Roosen, Leiter der Arbeitsgruppe Sport und Krebs am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ) sagt: „Die Bedeutung, die regelmäßige körperliche Bewegung für die Primärprävention von Malignomen, wahrscheinlich aber auch für die Vorbeugung von Rezidiven hat, also für die Tertiärprävention, wird bislang in Deutschland unterschätzt, und vor allem ist die Botschaft nicht konkret genug in der breiten Bevölkerung angekommen“. Das Training sollte auf den einzelnen Patienten abgestimmt sein, langsam beginnen und möglichst Flexibilitäts-, Ausdauer-, Kraft- und Koordinationskomponenten enthalten. Die Intensität ist abhängig von der Krankheitsphase, dem Trainingsziel und den Möglichkeiten des Patienten, wobei die bei Tumorkranken häufig schwankende Tagesform zu berücksichtigen ist.


Psychoonkologie
Entspannungstechniken, Achtsamkeitstraining und Visualisierung sind feste Verfahren in der Psychoonkologie. Ein guter Umgang mit der Krebserkrankung sowie Zugang zu inneren Kraftquellen kann sich positiv auf den Heilungsprozess und die Lebensqualität auswirken.
Physikalische Maßnahmen Die Komplementäre Onkologie arbeitet mit Bewegung, Massage, Wasser, Licht und Wärme in unterschiedlicher, individueller Kombination, z.B. moderate Hyperthermie, Fiebertherapie und regionale Elektrohyperthermie als wertvolle Therapieergänzung, Physio- und Bewegungstherapie in der Rehabilitationsphase, Lymphdrainage und Wassergymnastik bei Schädigung des lymphatischen Gewebes.


Nebenwirkungsmanagement
Es steht eine Vielzahl von Maßnahmen und Therapien zur Verfügung, um die zum Teil sehr belastenden therapie- und krankheitsassoziierten Nebenwirkungen onkologischer Therapien abzumindern oder zu reduzieren. Zur Appetitanregung eignen sich Bitterstoff-haltige Amara. Akupunktur oder Akupressur sind Optionen bei therapieinduzierter Übelkeit. Auch regelmäßige Entspannungsübungen können hilfreich sein. Strahlenschäden der Haut infolge Radiatio können mit Lavendelwasser, Calendula-Creme, Aloe-Vera-Gel oder mit Quarkwickeln behandelt werden. Erfahrene Therapeuten empfehlen vorbeugend Selensubstitution. Mit Wirkstoffen aus der Phytotherapie (Traubenkernextrakt oder Hanföl) können Mukositis, Hand-Fuß-Syndrom und Neuropathie behandelt werden. Das häufig auftretende Fatigue-Syndrom bedarf eines multimodalen Therapiekonzeptes. Bewegung, gesunde Ernährung, supportive Nährstoffgaben (L-Carnitin, Coenzym Q 10), Hormonbalance und Akupunktur können Teilaspekte sein, die auf den individuellen Patienten abgestimmt werden.


Fazit
Komplementärmedizin befriedigt das grundlegende Bedürfnis der Betroffenen, „zunächst einmal als Mensch mit einer Erkrankung und nicht als eine Erkrankung an sich wahrgenommen zu werden“, so der Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Hohenberger.
Eine gute Kommunikation und offener Wissensaustausch ist nach Ansicht der DKG ein wichtiger Teil bei der Begleitung und Behandlung von Krebspatienten. Die DKG hat dieses Bedürfnis der Patienten erkannt und 2012 die Arbeitsgemeinschaft PRiO für „Prävention und integrative Onkologie“ (http://prio-dkg.de) gegründet. Sie beschäftigt sich mit Onkologie im ganzheitlichen Sinne, von der Vorbeugung über Methoden zur Unterstützung der Gesundung wie körperliche Aktivität, Ernährungsfragen und spiritueller Unterstützung bis hin zu komplementär-medizinischen Ansätzen, auch in der Palliativsituation.



Autorin

Maria Hoderlein, Apothekerin
Klösterl-Apotheke, München




 
 
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Links zum Thema Integrative Onkologie
Netzwerk "Stärker gegen Krebs"
Stiftung Valentina
Orthomolekulare Medizin als Baustein der integrativen Onkologie